Die MS Flottbek ist ein 169 Meter langes Vollcontainerschiff. Gebaut wurde sie in der Meyer Werft in Pappenburg, Deutschland. Sie hat drei Schwesterschiffe: Die MS Barmbek, MS Eilbek und die MS Rheinbek. Sie alle sind nach Namen von Stadtteilen in Hamburg benannt. Über 1'600 Container finden auf Ihr Platz. Allerdings sind wir jetzt gerade mit bloss etwa mehr als der Hälfte mit Fracht beladen. Die MS Flottbek misst 27,2 Meter in der Breite und hat 7,5 Meter Tiefgang. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 Knoten, dass sind etwa 38Km/h.

 
Die Hauptmaschine ist ein 8 Zylinder Diesel mit insgesamt 17'000 PS und einem Treibstoffverbrauch von 49,5 Tonnen Schweröl pro Tag! Zur Stromerzeugung im Hafen und für Revierfahrten nützt sie auch noch drei Cummins Hilfsdiesel mit je 1'300 PS. Unser Frischwasser wird mittels Verdampfen von Meereswasser in einem Vakuum selber gewonnen, 20'000 Tonnen pro Tag. Trotz all dieser massiven Zahlen gehört unser Schiff nicht zu den Grössten.

Über unsere Kabine sind wir angenehm überrascht. Sie hat zwei Fenster mit netter Aussicht, Dusche/WC, Stereoanlage, Kleiderschrank, Schreibtisch, Kühlschrank und bequeme Betten. Der Dieselmotor wummert unaufhörlich, mit voller Fahrt schippern wir durch den Lorenz Strom. An den ständigen Lärm muss man sich erst gewöhnen, schlafen ist noch schwierig. Trotz Ohrstöpseln. Es vibriert nämlich auch noch alles dazu. Um fünf Uhr früh sind wir denn auch schon auf den Beinen und ganz gespannt, was es um 7:30 Uhr zum Frühstück gibt. Na, da hätten wir Spiegeleier, Speck, Würstchen, warmes Brot, zwei Sorten Käse, Nutella, Honig, Konfitüre und Müesli. Mampf.

 
 

Auf der Brücke erfahren wir vom ersten Offizier, dass wir New Foundland "umfahren", nämlich untendurch. Warum? Eisberge! Sie sind so gross, wir erkennen Sie sogar auf dem Radar. Zur Brücke haben wir uneingeschränkten Zugang zu jeder Zeit. Sie befindet sich im 13. Stock in 30 Meter Höhe und man hat hier oben natürlich die beste Aussicht übers ganze Schiff mit dem Horizont. Ausserdem kann man dem Kapitän und Offizier beim Arbeiten über die Schulter schaun' und wir lernen viel über die Hochseeschifffahrt. Geduldig erklärt man uns Gerätschaften, Seekarten, Manöver, Routenpläne und die Kaffeemaschine.
 
 
Wir schreiben Samstag, 26. Mai als wir Neufundland passieren und kanadische Gewässer verlassen. Heute sehen wir zum ersten Mal Wale seit wir an Board sind. Regelmässig, am Wochenende gibts auf der MS Flottbek Barbeque und bei schönem Wetter findet dieser Anlass draussen auf Deck 7 statt. Mit dem Wetter ist's heute halt nicht so, drum hocken wir drinnen auf Deck 6 am Trockenen und der übergrosse Grill läuft auf Hochtouren. Zusammen mit der Crew füllen wir uns die Bäuche, das Bier fliesst in Strömen und wieder wird viel gelacht. Auch eine Tradition ist das anschliessende Karaoke-Singen. Das Mikrofon macht die Runde, es gibt kein Entrinnen, alle machen mit. Mischi gibt Madonna zum Besten und Martin versucht sich an Johnny Cash und John Mellencamp. Wir halten uns die Bäuche. Von der Crew werden wir voll integriert, man ist Bruder und Schwester. Die ganze Party dauert bis 02:30 morgens. Nein, diesmal waren wir nicht die Letzten. Wir erklimmen noch die Treppen bis zum 10. Stock und wissen nicht, ob das Schiff so schwankt oder wir ein bisschen Schlagseite haben. Mh.
 
   
Das Frühstück lassen wir ausnahmsweise mal sausen... und ausgerechnet heute findet der obligate Safety Drill statt. Eine Alarmübung mit Helm, Schwimmweste und Überlebensanzug. Es gibt zwei verschiedene Signale. Eines hornt sieben Mal kurz, dann einmal lang, hörbar überall auf dem Schiff. Das bedeutet: "ABANDON SHIP!". Wir hoffen nicht. Das Rettungsboot hängt nämlich auf Deck 8 oben im 45° Winkel knapp 20 Meter vom Wasser entfernt! Das zweite Signal geht einmal lang und einmal kurz. Das bedeutet: Bombenalarm. Für uns heisst das warten bis gefunden. Diesmal war eine Guetzlibüchse in der boardeigenen Sauna versteckt...
 
   
Die See wird zunehmend stürmischer. Der Neigungswinkel beträgt gerade beachtliche 25°. Maximal möglich sind 35°. Das heisst für uns Achterbahn fahren den ganzen Tag. Wir kotzen zwar nicht, aber fühlen uns schaurig elend. Wir zwingen uns zum Essen. Unser Stewart, Reagan, schraubt schon mal die Stühle am Boden fest und benetzt das Tischtuch, damit die Pizza und die Frühlingsrollen mit der nächsten Welle nicht auf dem Boden landen. Wir schauen möglichst nicht hinaus und gehen nach dem Essen gleich wieder ins Bett. Lesen geht nicht, so liegen wir einfach da. Die Wellen erreichen eine Höhe von sechs bis acht Meter.
 
   
Das Wetter beruhigt sich wieder und wir gönnen uns bei Baccardi Cola die "Weisse Massai" auf DVD in unserer gemütlichen Koje. Am nächsten Morgen lacht die Sonne vom Himmel, es ist praktisch windstill und wolkenlos. Wir legen uns in die Liegestühle auf Deck 7 und schauen Möven und Basstölpel beim Fischen zu. Der Atlantik schilllert im schönsten, kalten Smaragdgrün und die Schiffsschraube wühlt sich durch die See. Salz liegt auf der Haut.
 
   
Die Freude währt nur kurz. Der Kapitän informiert uns, dass wir auf ein richtig sattes Tiefdruckgebiet zusteuern. Na, das wird ja heiter. Wir hatten jetzt also bloss kurz so schönes Wetter, weil es das Zentrum des Sturms war.
 
   

Um 5:30 Uhr am Mittwoch, dem 30. Mai werden wir unsanft aus dem Schlaf gerissen. Das Schiff schaukelt bei zehn Meter hohen Wellen fürchterlich und beginnt zu rollen. Martin versucht, diesen Moment mit der Kamera festzuhalten und steht am Fenster. Der Bug bäumt sich auf und schlägt mit voller Wucht aufs Wasser zurück. WUMM! Martin fliegt zurück ins Bett, Mischi klammert sich an die Bettkante. Alle Schranktüren fliegen auf, und der Zimmerboden ist übersät mit Kleider, Bierbüchsen, Schwimmwesten, CD's, Büchern und Zeitschriften.
 
   
Wir fahren nur noch halbe Fahrt voraus und schon wieder liegen wir im Bett und schauen möglichst nirgends hin. Dabei finden wir aber noch heraus, dass es sich mit vollem Bauch besser ertragen lässt und je tiefer man sich im Schiff aufhält. Die Lage beruhigt sich am späteren Nachmittag und am Abend führt uns Thilo Schmidt, der Chief Engineer durch den Motoren- und Maschinenraum. Da erfahren wir ganz Interessantes, wie z.B. über die eigene Wasseraufbereitung von Meerwasser, über den Wellengenerator, Getriebe und natürlich über die Hauptmaschine.
 
   
Martin probiert das erste Mal den Ergometer und die Ein-Mann-Sauna aus. Mischi kuriert sich mal wieder von einer Erkältung. Der Kalender zeigt Donnerstag, den 31. Mai und nach fünf Tagen auf hoher See sehen wir erstmals wieder Land! Die schöne Küste von Nordirland liegt grün und schroff vor uns. Da die See sich jetzt wieder beruhigt und der Sturm sich gelegt hat, darf uns Stefan, der Maat aufs Vorschiff begleiten. Für den Ausflug müssen wir uns einen Helm überzeihen. Warum, dass weiss keiner von uns. Entlang von Containertürmen führt uns die Reling zum vorderen Teil des Schiffes. Stefan zeigt uns, wie die Container befestigt werden, die mächtige Ankerkette und das Schönste daran: Stille auf dem Schiff! Scheinbar lautlos schiebt sich die MS Flottbek auf England zu.
 
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