Wir machen uns auf nach Old Quebec, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. In Lévis, dass am gegenüberliegenden Ufer liegt, quartieren wir uns im Transit Campground ein. Wir nehmen die Fähre und staunen schon von Weitem über das Château Frontenac, dass Wahrzeichen von Quebec City. Die Stadt liegt auf dem Cap Diamant, einem grossen Felsen der den St. Lorenz Strom überragt. Nach St. Johns ist Quebec die zweitälteste europäische Kolonie in Kanada. Beflügelt schlendern wir durch die engen Gässchen und sind beeindruckt vom Charme und der historischen Architektur, wie wir Sie in ganz Nordamerika nicht gesehen haben.


 
Zurück in Lévis suchen wir nochmals einen Dodge Dealer auf und besorgen uns den Switch für den 4x4. Eigentlich hoffen wir, dass die Buben Zeit haben für den Einbau, da es ja nicht so eine grosse Sache ist. Nein, heisst es da, erst in 10 Tagen. Dauer für die Übung etwa eine Stunde. Das ist uns natürlich viel zu lange.
 
Die Küstenstrasse #132 East bringt uns in die Gaspésie, einer Halbinsel im St. Lorenz Golf. Der Name bedeutet in der Sprache der Micmac das Ende der Welt. Der Seefahrer Jacques Cartier betrat 1544 das Land und nahm es in Besitz für die französische Krone. Für die Nacht richten wir uns in Rimouski auf einem privaten Platz ein. Seit Wochen sind wir immer die Einzigen, die um diese Jahreszeit schon mit einem Zelt unterwegs sind. Das ist auch kein Wunder, bei den zum Teil herrschenden Temperaturen. Auch jetzt arbeitet Petrus gegen uns. In Mont Louis schlafen wir deshalb in einem Motel. Gischt spritzt auf die Fahrbahn, der Himmel wird immer dunkler und Neuschnee bestäubt die umliegenden Berge. Im Restaurant des Motels sitzen wir beim Frühstück direkt am Meer.
 

 

Nach Petit Cap steht ein Mann am Strassenrand und macht wie wild den Hampelmann, als wir an ihm vorbeiziehen. Wir treten auf die Bremse und merken schnell, warum er solche Gymnastikübungen macht. Joe und Heidi, beide aus Thun (scho wieder Berner!) haben gerade ihr Häuschen in Novia Scotia verkauft und sind nun unterwegs nach Montréal. Von den beiden erfahren wir, dass der Forillon Nationalpark zwar offen hat, aber wegen den enormen Schneemengen das Campen und Wandern unmöglich ist.

 

So machen wir uns direkt auf den Weg nach Percé. Der Wind ist wieder so stark heute, dass wir unseren Plan an der Küste zu zelten schon wieder über Bord werfen und denken eher an ein Motel oder B&B. Trotzdem halten wir am Tête d'Indien Campground spontan an. Da der Platz sehr schön gelegen ist, sehen wir uns das mal an. Links hats was Windstilles und der amerikanische Host ist sehr freundlich. Wir sind gekommen um zu bleiben. Wir erkunden die Küste und haben Glück. Das erste Mal sehen wir Basstölpel. Typisch für diesen Gänsegrossen Meeresvogel sind grosse Kolonien, in der mehrere tausend Brutpaare ihr Junges aufziehen. Bevorzugte Brutplätze sind steile Felsinseln die vor der Küste liegen. Hier ganz in der Nähe in Percé, auf der Insel Bonaventure, befindet sich die grösste Kolonie dieser Vögel. Sie umfasst etwa 32'000 Nester.
 
   
Der Himmel ist stahlblau als wir uns auf den Weg nach Percé machen. Besonderes Merkmal des schnuckeligen Fischerdörfchens ist der Percé Rock. Nur bei Ebbe erreicht man ihn trocken zu Fuss. Auf der Küstenstrasse reisen wir weiter nach Pointe à la Croix. Die Brücke über die Chaleur Bay bringt uns nach New Brunswick. Diese Provinz wurde benannt nach Braunchschweig, einem Ort in Norddeutschland. In zehn Tagen bringen wir unser Auto der Speditionsfirma in Halifax für die Verschiffung nach Europa. Zehn Tage. Dabei gäbe es noch so viel zu sehen! Prince Edward Island, New Brunswick und Novia Scotia. Das reicht einfach nicht. Und so wollen wir so schnell als möglich nach Novia Scotia um die letzten paar Tage ausgiebig geniessen zu können.
 
   
In Moncton versuchen wir nochmals unser Glück bei einem Dodge Dealer. Wir fragen Mike ob er irgendwo ein Loch im Arbeitsplan findet um unsere 4x4 Switch einzubauen. Er rümpft zwar zuerst die Nase, organisiert aber in Kürze einen Mann. Frank winkt uns nicht mal in die Werkstatt. Er wechselt das Teil gleich auf dem Parkplatz. Nach nur zehn Minuten funktioniert der 4x4 wieder (von wegen einer Stunde in Quebec). Als wir bezahlen wollen, meint er bloss das sei ok so, das koste nichts. Nicht mal die fünf Dollar Trinkgeld will er zuerst annehmen. Wir sind beeindruckt.
 
   
 
Novia Scotia
Auf der #102 brettern wir nach Novia Scotia an die St. Margarets Bay zum Way Side RV Park & Campground. Der Platz gefällt uns sehr gut. Wir entscheiden uns kurzerhand, gleich für eine Woche zu bleiben. Von hier aus erkunden wir die Umgebung. Neuschottland ist die zweitkleinste Provinz von Kanada und war die erste Kolonie des britischen Empires. Kein Punkt in Novia Scotia ist mehr als 56 Km vom Meer entfernt.
 
Unzählige Buchten und Fischerdörfchen säumen die schöne Küste. Ein bekanntes Fischerdörfchen ist Peggys Cove an der Ostküste der St. Margarets Bay. Berühmt ist Peggys Cove wegen seinem rustikalen Charme und seinem Leuchtturm. Um diese Ursprünglichkeit zu erhalten, hat die Provinzregierung strenge Regeln für die Bebauung und den Zuzug erlassen. Das ist ihr bis heute gelungen. Wir haben Glück mit dem Wetter, die Verhältnisse sind genial. Wir turnen durch die Felsen, draussen werfen Kutter Hummerfallen aus und im Dorf flicken Fischer die Netze. Es scheint, dass hier die Zeit stehengeblieben ist.
 
   
Einen Kilometer nordwestlich der Ortschaft besuchen wir eine der Gedenkstätten des Flugzeugabsturzes des Swissair Fluges 111 im Jahr 1998. Wir gedenken den Opfern bevor wir Peggys Cove berührt von dieser Tragik den Rücken kehren.
 
   
Wir nützen das Prachtswetter. Der Atlantik liegt vor der Türe und so tragen wir unser Kanu über die Strasse. Wir setzen den Kiel das allererste Mal in Salzwasser. Wir paddeln nicht im offenen Atlantik sondern in unzähligen Buchten, um Inseln rum und staunen über das glasklare Wasser. Oftmals müssen wir wegen starkem Wind ganz schön paddeln. Zwischendurch wird auch das Kanu portagiert und dann spritzt uns wieder mal die Gischt mitten ins Gesicht. Erholung gibts dann mal auf schön warmen Sandstränden. Es ist einfach herrlich.
 
   
Vorbei an einsamen Buchten und Küstenabschnitten gondeln wir auf dem Lighthouse Trail bis nach Lunenburg, ein kleines Städtchen mit vielen bunten, idyllischen Häuschen. Es ist Kanadas älteste Deutsche Siedlung. Im Hafen finden wir das Segelschiff, die Bluenose II. Das Original war als Gaffelschoner geriggt und lief im März 1921 als Fischereischiff vom Stapel. Am alljährlichen Fischermans Cup, einer Regatta für Fischereiboote, zwischen den Fischern der Städte Lunenburg und Gloucester, Massachusetts, blieb die Bluenose wegen ihrer aussergewöhnlichen Wendigkeit und Schnelligkeit 17 Jahre unbesiegt. Seit 1937 wird das Bild des Schiffes auf das kanadische 10 Cent Stück geprägt. Sie ziert ausserdem das Nummernschild von Novia Scotia.
 
 
Bei strömendem Regen brechen wir unser Zelt ab und machen uns auf nach Halifax. Wir sollten unser Fahrzeug bis spätestens am 18. Mai bei der ACL zum Verschiffen abgeben. Ein Zimmer ist reserviert im Youth Houstel in Halifax, mitten in der Stadt. Halifax ist die Hauptstadt von Neuschottland und wurde 1749 gegründet. Die Basis der Atlantikflotte der kanadischen Marine, die hier stationiert ist, besitzt noch immer eine wichtige militärische Bedeutung. Nach dem notwendigen Papierkram bei der Agentur fahren wir zu den Terminals der CECE, wo sich die Ladungsdocks für das Verladen von Autos befindet. Dann ist es soweit. Schweren Herzens drücken wir dem Typen unsere Schlüssel in die Hand. In etwa zwei Wochen sollten wir unser Schätzchen in Antwerpen abholen können.

 
 
Im Hafen besuchen wir das Maritime Museum. Hier lernen wir nicht nur was über die Geschichte der Seefahrt sondern auch über die Tragödie mit der Titanic. Halifax war der nächstgelegene Hafen vom Unglücksort, von wo aus drei Schiffe ausliefen um zu helfen, als am 10. April 1912 die Titanic im Nordatlantik versank. Über 300 Opfer wurden von den drei Schiffen geborgen und viele fanden in Halifax ihre letzte Ruhe. Fünf Jahre später wurde Halifax selbst von einer Katastrophe heimgesucht. Der französische Munitionsfrachter Mont Blanc, der zum Kriegseinsatz nach Belgien bestimmt war, kollidierte mit einem norwegischen Schiff im Hafen von Halifax. Die Mont Blanc geriet in Brand und explodierte. Tausende verloren dabei Ihr Leben. Es handelte sich um die grösste, von Menschenhand versursachte Explosion und ist eine der heftigsten, nichtnuklearen Explosionen der Geschichte geblieben.
 
 
Es ist der 19. Mai mittags, als wir am Bahnhof von Halifax in den Zug steigen. Für die 22stündige Zugfahrt, die am Atlantik über die Gaspésie führt und sich weiterzieht am St. Lorenz Strom bis nach Montréal, haben wir uns in einer Double Bedroom Deluxe Kabine eingenistet. Die Kabine hat sogar Dusche & WC und richtige Betten. Trotz bequemen Matratzen, einer Flasche Wein und ein paar Schlückli Jack Daniels, schlafen wir fürchterlich. Es rumpelt und schüttelt die ganze Nacht. VIA Rail transportiert pro Jahr 3,9 Mio. Passagiere und betreibt Zugverbindungen in acht kanadischen Provinzen. Vom Atlantik bis zum Pazifik und von den grossen Seen zur Hudson Bay. Wie populär Zugfahren in Nordamerika ist, zeigt uns der Vergleich mit den Schweizerischen Bundesbahnen, die pro Jahr 285 Mio. Fahrgäste transportieren! Und das bei einem weit kleineren Streckennetz.
 
 
Mit einiger Verspätung erreichen wir morgens um 10:00 ziemlich gerädert den Hauptbahnhof in Montréal. Im B&B Le Simone, zwischen dem Schwulenviertel und Chinatown, quartieren wir uns für die nächsten Tage ein. Die Atmoshpäre ist sehr angenehm und familiär. Das Abfahrtsdatum unseres Frachtschiffes, das uns als Passagiere mitnimmt, hat schon wieder geändert. Mal heisst es am 28igsten, dann am 25igsten und das letzte Datum der Agentur ist jetzt der 23igste. So verbringen wir die sommerlichen Tage mit Entdecken von Montréal. Alles ist zu Fuss erreichbar. Zusammen mit dem Ballungsgebiet gilt Montréal als zweitgrösste französischsprechende Stadt der Welt, und das obwohl der Anteil englischsprachiger Einwohner bei etwa 20% liegt. Sie ist Wirtschafts-, Industrie- und Handelszentrum des östlichen Kanadas.
 
   
Wir schlendern vom Gay Viertel durchs Latin Quarter und China Town ins alte Montréal zum Hafen runter. Nicht nur die prachtvollen, historischen Gebäude begeistern uns in dieser Stadt, sondern auch ihr Internationales Flair. Montréal ist eine lebendige, farbenfrohe Stadt.
 
   
Nach einem Anruf bei den Agenten ist unser definitives Abreisedatum nun der 24. Mai. Mit dem Taxi gehts ins CAST Terminal und nach ein bischen Papierarbeit werden wir von einem Shuttle abgeholt und bis zur MS Flottbek gefahren. Die Crew hilft uns beim Rauftragen von unserem Gepäck und wir werden vom Kapitän Jan Block und dem ersten Offizier herzlich an Board begrüsst. In der Kabine 6 Backboard, im zehnten Stock, sind wir die nächsten zwölf Tage zu Hause. Reagan, unser Stewart, erklärt uns was alles wo ist und beim Mittagessen lernen wir erstmals die ganzen 19 Crewmitglieder kennen. In der Offiziersmesse speisen und treffen wir auch den Chief Engineer, Thilo Schmidt. Man teilt uns mit, das wir auf die Brücke dürfen wann immer wir wollen. Wir sind gespannt auf unsere Mitreisenden. Allie und Chris, beide ausgewanderte Engländer und wohnhaft seit 11 Jahren in Ottawa besteigen am Nachmittag das Schiff. Wir sind also nur vier Passagiere, was uns allen Recht ist.
 
   
Es ist soweit. Vier Stunden später als geplant lassen wir mit wummerndem Motor die Leinen los! Wir sagen Nordamerika good bye und der Kapitän dreht das Schiff um 180 Grad. Auf dem St. Lorenz Strom schippern wir nun also Richtung Europa. Schiff Ahoi!