Illinois
 
Wir schlagen unser Lager am Kankakee River State Park auf und die Temperaturen stürzen über Nacht um unglaubliche 20 Grad in den Keller. Vor einem Tag noch in T-Shirt und mit Shorts heissts ab heute BRR! Von 26 Grad zeigt das Thermometer gerade mal noch klägliche 2-3 Grad.

 
Wir machen uns auf den Weg nach Cary, ein Vorort westlich von Chicago. Ostern steht vor der Tür und wir sind bei Markus, Tammy und Graham Bütler eingeladen. Martin hat in jüngeren Jahren zusammen mit Markus Fussball gespielt. Heute ist der 4. April und wir feiern 1 Jahr auf Achse, Kinder wie die Zeit vergeht! Wir freuen uns auf die Familie Bütler und schätzen es sehr, in den nächsten Tagen ihre Gäste zu sein. In Barrington hocken wir abends ins Kino und schauen uns ein Spionagethriller an. Der Film ist ausgesprochen spannend doch nur schon das alte, stilvoll eingerichtete Kino ist ein Besuch wert. Für den Hunger bestellt man sich übergrosse, frisch zubereitete Sandwiches für jeden Gusto. Gemampft wird denn auch gleich im Saal, was gar nicht so einfach ist bei der Dunkelheit.
   
Nicht nur zur Freude klein Grahams und den Kindern von Hillary besichtigen wir die Jelly Belly Factory. Die Firma produziert unter diesem Markennamen sogenannte Geleebohnen, das sind kleine Süsswaren in Form von Kidneybohnen. Unter ihrer variabel gefärbten Zuckerkruste bestehen sie vollständig aus Gelee (gelatinefrei). Populär sind die Jelly Belly Bohnen vorallem weil sie in einer grossen Anzahl von Geschmacksrichtungen erhältlich sind. Mittlerweile umfasst das feste Produktesortiment 50 reguläre Sorten, wie z.B. Butterpopcorn, Zuckerwatte, Malzbier, Glühzimt, Mango, Margarita und Blaubeere nur um ein paar normale Sorten zu nennen. Hinzu kommen Sondervarianten wie Wiese, Speck, Erde, Knoblauch usw. Markus probiert ein Stück Wiese, Mischi bekommt Dreck und Martin den Speck.
 
   
Der süsse Tag ist noch nicht zu Ende! Spricht man von Amerika und Süssigkeiten kommt man auch nicht um die Doughnuts herum. Krispy Kream ist hierzulande ein Stück Doughnut Geschichte und wurde 1937 von Fernon Rudolph in North Carolina gegründet. Heute ist es typisch für Krispy Kream, dass der Herstellungsbereich innerhalb eines Ladens durch eine grosse Scheibe vom Verkaufsraum getrennt ist. So hat die Kundschaft die Möglichkeit, die Herstellung mitzuverfolgen. Immer wenn die grosse Leuchtplakete im Laden rot leuchtet, erhält man beim Kauf von Doughnuts einen "Original Glazed" frisch vom Band gratis dazu. Dank Tammy bekommen alle von uns ein Testerli bevor die Maschine läuft. Angespannt wie kleine Kinder kleben wir an der Scheibe und werden Zeugen, wie die "Easter Egg" Doughnuts produziert werden. Durch die einseitige Produktepalette von Doughnuts und Kafi leidet Krispy Kream jedoch seit einigen Jahren unter dem zunehmenden Gesundheitsbewusstein der Amerikaner. Chefprobierer Mischi findet sie himmlisch fein und verschlingt gleich zwei.
 
   

Wir müssen zum Gesundheitscheck. Ein solcher ist Voraussetzung für unsere Heimreise mit dem Frachtschiff. Die Reederei möchte verständlicherweise sichergehen, das wir physisch fit sind für die zehntägige Überfahrt nach Europa, denn auf solchen Schiffen ist kein Arzt an Board. Mit dem Zauberwort "Cash" bekommen wir sofort einen Termin beim Hausarzt von Markus. Ein bischen Blutdruck, ein wenig Stetoskop und vorallem viel Erkundung und Freude über unsere Reise ist die Sache schon nach zehn Minuten gegessen und wir beide um je 145 Dollar leichter.
 
 

 

Freitag morgen, blauer Himmel und immer noch saukalt, schnappen wir beide den Zug nach Downtown Chicago. Nach einer Stunde Fahrt durch gepflegte Vororte sehen wir erstmals die Megaskyline der drittgrössten Stadt der USA. Alleine in der Agglomeration leben 9 Millionen Menschen, in der Stadt selber nochmals etwa 2,9 Millionen. Wieviele sind wir jetzt in der Schweiz? 7,5 Millionen?

 
   
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist Chicago eine wichtige Handelsstadt in den Vereinigten Staaten und liegt zentral in der Mitte des Kontinentes. Die Lage an der Mündung des Illinois Waterways, der die grossen Seen mit dem Mississippi River und dem Golf von Mexiko verbindet, sowie der Knotenpunkt wichtiger Eisenbahnstrecken haben diese Funktion begünstigt. Aufgrund des starken Windes zu jeder Jahreszeit wird Chicago auch im Volksmund "The Windy City" genannt, das bekommen wir am eigenen Leib zu spüren. Der Spitzname wird aber auch teilweise auf die verbreitete organisierte Kriminalität ihrer Geschichte zurückgeführt. Nebst Anderen trieb hier auch Al Capone sein Unwesen.
 
   
Vielleicht wird es zwischendurch eintönig immer vom Höchsten, Längsten, Wichtigsten, Tiefsten, Schnellsten, Ersten und Grössten zu lesen, aber wir sind nun mal in Amerika. Wenn wir schon dabei sind; unser nächstes Ziel ist der Sears-Tower. Das ist das dritthöchste freistehende Bauwerk der Erde, gleichzeitig auch der höchste Wolkenkratzer der USA und last but not least das höchste Gebäude Chicagos. Nach einer dreijährigen Bauzeit und mit einer Höhe von 442 Metern (mit Antenne 527) wurde er im Jahr 1974 eröffnet. Der Aufzug ist mit 480 Meter/Minute natürlich auch der Schnellste der Welt. Die Baukosten für dieses Gigantum aus Aluminium, Beton, Glas und Stahl betrugen 175 Millionen Dollar. Der Einzelhandelskonzern Sears verkaufte das Bauwerk in den 90er Jahren für 1 Milliarde.
 
   
Wir sind früh dran und müssen nicht anstehen um mit dem Lift die 108 Stockwerke in nur 55 Sekunden zu erliften. Der Ausblick vom Skydeck ist gigantisch. Die Hochhäuser rund um den Tower wirken wie Legoland. Der Weitblick in die Suburbs, der karibisch türkisblaue Lake Michigan und die Erdkrümmung am Horizont machen den Ausflug auf den Sears Tower unvergesslich. Nach einem schaumigen, heissen Kaffee in einem der unzähligen Starbucks wandern wir noch zum Millenium Park und lassen die Skyline nochmals auf uns wirken, bevor wir durchgefroren wieder im Zug nach Cary sitzen. Chicago hat aber noch viel mehr zu bieten. Weltbekannte Museen, Kunst, Theater, Jazzklubs und architektonische Meisterwerke warten auf den Besucher.
 
   
Der letzte Abend bei Family Bütler verbringen wir gemeinsam und gemütlich bei selbstgemachtem Fondue und stundenlangem Kartenspiel. Wir freuen uns jetzt schon auf die drei zurück in der Schweiz und auf eine satte Revanche beim Kartenspiel, das wir unbedingt noch fertigspielen müssen. Vielen Dank Tammy, Markus und Graham!
 
 
Wisconsin
 
Mit Schrecken stellen wir fest, dass die Wasserleitungen im Camper gefroren sind. Kein Wunder bei diesen Temperaturen und dem nordischen Wind. Die I-90 führt uns nach Janesville und die #69 nach New Glarus.
 

New Glarus wurde 1845 von 150 Schweizer Immigranten aus Glarus gegründet. Die Gemeinde ist bekannt für Ihre Gaststätten mit Schweizer Spezialitäten und es sieht auch typisch schweizerisch aus. Chalets hier und Chalets da, ein Grüetzi auf den Fahnen im Dorfkern, ja, es gibt sogar eine Glarnerstube. Im Sommer findet das Heidi- und das Wilhelm Tell Festival statt und ein eigenes Jodlerchörli und Trachtengruppen gehören natürlich dazu. Schon auf der Hinfahrt fällt uns der Laden runter, als wir auf ein paar der vielen Farmen Schweizer Braunvieh sichten, übrigens die älteste Gattung von Milchkühen. Namen wie Voegeli, Gmuer und Wipfli lassen uns jauchzen. Auf der Welcome Tafel zum Green County scheinen Schweizer Kreuze und Kräuter und ein Alphornbläser steht auf einem Laib Käse. Nun wird uns alles klar. Als wir vielen amerikanischen Freunden nämlich von unserer Sehnsucht nach Schweizer Käse berichteten, meinten immer alle "probiert doch mal Käse aus Wisconsin, der ist wirklich gut". Ja, er ist gut. Aber Schweizer Käse ist halt Schweizer Käse, basta.
 
   
Ein lustiges Gefühl in Amerika zu sein und sich "zu Hause zu fühlen". Wir stellen unseren Camper vor den Glarnerladen, spazieren durchs Dorf und lassen alles auf uns wirken. In der Maple Leaf Käserei kaufen wir uns ein sattes Stück Wisconsin Gruyère, das Teil wiegt über ein halbes Kilo. Hinter der Theke hängt ein altes Blechschild von Elmer Citro. Nächster Halt ist in der Bäckerei/Konditorei. Wir haben nach zwölf Monaten Toastbrot, Bagels und selbstgebackenem Outdoor-Gusspfanne-Brot endlich wieder mal ein richtiges Pfünderli und als Krönung dazu zwei Nussguuge (Nuthorns) gekauft. Wir sind betört vom Duft, so wie es in einer Beck riechen sollte. Bevor wir die Sinne verlieren steuern wir zu Roberts.

Wie damals an der Zürcher Bahnhofstrasse schmücken Plastikkühe die Strassen und Gassen. Jede ist auch hier kunstvoll bemalt, Thema natürlich die Schweiz. Roberts, der Laden der Familie Zgraggen, könnte genausogut in einem Touristenort in der Schweiz stehen. Schaurig schöne Holzarbeiten, Guggerzytli und Chäs-Chessi, Langenthaler Porzellan, T-Shirts und Chuttelis, CD's vom Trio Eugschter, Peter Zinsli und de Heugadebuebe vom Melchtal. Im Hotel/Restaurant New Glarus verzehren wir genüsslich 'ne Kalbsbratwurst, Härdöpfelstock, Bohne, Brate und anstatt zwei Kafi Zwetschgen zwei Kafi Kirsch. An den hinteren Tischen verschlingen amerikanische Touristen ein Fondue als Vorspeise und machen sich dann übers Buffet her.
 
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